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Die Magersucht

In diesem Artikel erzähle ich Dir etwas über meine Essstörung und meinen Weg zurück in ein gesundes Essverhalten.

Magersucht | Essstörung

"Die Nahrung, die wir uns geben, ist ein Symbol für unsere Selbstliebe." 

Wenn Essen zum Problem wird

Meine Schwierigkeiten mit dem Essen fingen an, als ich knapp 20 Jahre alt war. Also zeitgleich mit den ersten ernsthaften Beziehungsproblemen. Im Nachhinein erkenne ich deutlich den Zusammenhang zwischen allem. Meine Probleme mit mir selbst, in Beziehungen und mit dem Essen, alles steht miteinander in Verbindung.

  

Es fing damit an, dass ich peu à peu immer weniger gegessen habe. Irgendwann waren es nur noch ein bis zwei Mahlzeiten am Tag bzw. ich ersetzte eine Mahlzeit durch irgendeine Kleinigkeit, wie z.B. einen Apfel. Da ich schon immer sehr dünn war, auch schon als Kind, viel es nicht so sehr auf, dass ich noch dünner wurde. So ganz extrem mager war ich eigentlich auch nie. Mein Mindestgewicht war bei 1,66 cm 46 Kilo. Mit entsprechender Kleidung sah ich nie wirklich krank aus. Meine Familie sprach mich manchmal darauf an, dass ich sehr dünn bin, aber hier blockte ich immer sofort ab. Ich wurde richtig zickig, wenn es um dieses Thema ging und irgendwann traute sich keiner mehr, mit mir darüber zu sprechen. Von Freunden und Arbeitskollegen bekam ich sogar noch Komplimente, dass ich so schlank bin. Obwohl ich so wenig aß, merkte ich damals nicht, dass mein Essverhalten nicht normal ist. Ich wog mich mehrmals täglich und nahm ständig irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel zu mir. Meistens Vitamine, was ja prinzipiell nicht schlecht ist. Aber zusätzlich eben auch irgendwelche Fett-Blocker. Ich wollte immer weniger Essen. Ich wolle immer dünner werden. Das Ganze wurde zu einer Art Wettkampf.

 

Mein Ziel war es, immer unter 50 Kilo zu bleiben. Wenn ich 51 Kilo wog, fühlte ich mich dick. Irgendwann drehte sich alles nur noch um das Thema Essen und um mein Gewicht. Ich dachte darüber nach, was ich heute schon gegessen hatte und wie viel ich mir heute noch erlauben würde zu essen. Immer musste es fettarm und die Light-Version sein und ich überwachte ganz genau, dass es bloß nicht zu viel war. Mein Ziel war es, mein Essen immer weiter zu reduzieren. Es sollte immer noch ein bisschen weniger sein und ich steigerte mich immer weiter hinein in diesen Magerwahn. Nun weiß ich, warum es Magersucht heißt, denn genau das ist es. Eine Sucht.

 

Irgendwann kam dann das schlechte Gewissen dazu, wenn ich etwas aß. Essen wurde zu etwas, wobei man sich schlecht fühlt. Etwas, was verboten war. Am Liebsten war es mir, wenn ich komplett leer war. Dann fühlte ich mich leicht. Jeden kleinen Happen empfand ich sofort als Schwere in meinem Bauch.

 

Wenn ich mir überlege, wann genau das Erbrechen hinzukam, dann kommt mir ein Schlüsselerlebnis in den Sinn. Ich war damals in einer schwierigen Beziehung zu einem jungen Mann, der nur sehr selten Zeit für mich hatte. Ich weiß noch, dass er einmal drei Stunden zu spät bei mir aufgekreuzt ist, mir eine Pizza hingestellt hat und gleich wieder abgehauen ist. Da ich damals noch voll von der Emotional instabilen Persönlichkeitsstörung geprägt war, hatte ich noch überhaupt keine Vorstellung davon, was eine gesunde Beziehung eigentlich ausmacht. Außerdem hatte ich keinen Halt in mir selbst. Ich fühlte mich oft sehr einsam und verlassen. Naja, auf jeden Fall habe ich die ganze Pizza im Eiltempo in mich hinein geschlungen und anschließend alles wieder erbrochen. Das was das erste mal, dass ich mich mit eigener Absicht übergeben hatte.

  

Danach kam es schließlich häufiger vor, dass ich mein Gegessenes erbrach. Immer wenn es mir sehr schlecht ging, wenn es Streit gab, wenn etwas passiert war, was mich verletzte, erbrach ich mich. Immer wenn ich sozusagen das Leben „zum Kotzen“ fand. In diesen Momenten aß ich sogar gezielt etwas, damit ich es anschließend wieder erbrechen konnte. Das ging ungefähr über zwei Jahre. Selbst da konnte ich mir immer noch nicht eingestehen, dass etwas nicht stimmt. Ich erzählte niemanden von meinen Problemen., denn ich habe mich so sehr dafür geschämt. Erst als sich mein Essverhalten wieder normalisierte und ich einen gesünderen Umgang mit mir lernte, redete ich das erste mal darüber. 

 

Nachdem ich mich einmal übergeben hatte und mir durch den Druck in meinen Augen die Äderchen geplatzt waren, kam endlich der Punkt, an dem ich wusste, dass es so nicht mehr weiter gehen konnte. Dieses Erlebnis hat mir sozusagen die Augen geöffnet. Ab diesem Zeitpunkt habe ich schließlich akzeptiert, dass ich eine Essstörung habe und mich intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt. Im Internet bin ich dann auf ein Buch gestoßen, welches mir tatsächlich dabei geholfen hat, mich nach und nach aus diesem Dilemma zu befreien. Zusätzlich habe ich mir nicht nur Wissen über die Krankheit, sondern auch Wissen über eine gesunde Ernährung angeeignet. Später habe ich dann sogar noch eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin gemacht.

 

Im Nachhinein ist es eigentlich ein Wahnsinn was der menschliche Körper alles aushält. Wie zäh man ist. Ich habe fast nichts gegessen, wie verrückt Sport getrieben und fühlte mich trotzdem total fit. Das war, glaube ich, auch lange Zeit das eigentliche Problem, warum ich immer so weiter gemacht habe. Ich fühlte mich nicht krank. Ich fühlte mich fit und bekam Komplimente. Als junger Mensch merkt man leider oft überhaupt nicht, wie man sich eigentlich schadet. Die körperlichen Probleme kommen erst später.

  

Es hat einige Jahre gedauert, bis ich da hingekommen bin, wo ich heute stehe. Heute ist Essen kein Thema mehr für mich. Das heißt, ich muss nicht mehr ans Essen denken. Ich muss mich nicht mehr wiegen. Ich esse regelmäßig und kaufe niemals mehr die Light-Version. Ich habe mich sehr viel mit gesunder Ernährung befasst und lebe nun danach. Und wenn ich Lust darauf habe, gönne ich mir auch mal etwas Süßes. Ich kann Essen wieder genießen und als das sehen was es ist: Nämlich unser Lebenselixier! Ich bin immer noch dünn, aber ich sehe wie dünn ich bin und wann ich zu dünn bin. Ich sehe mich, wie ich bin. Wenn es mir schlecht geht, tendiere ich immer noch dazu weniger zu essen. Aber es ist mir bewusst und gerade in diesen Zeiten gehe ich dann besonders achtsam mit mir um.  

Was mit auf meinem Weg geholfen hat, die Magersucht zu besiegen

  1. Erkenne, ob mit Deiner Einstellung zum Essen und Deinem Essverhalten etwas nicht stimmt. Ist Essen und Dein Gewicht ein ständiges Thema für Dich? Musst Du Dich mehrmals täglich wiegen? Ist Dein Gewicht im normalen Bereich? Ist Essen etwas Negatives oder Belastendes für Dich? Sei hier ganz ehrlich mit Dir selbst.

  2. Akzeptiere, dass Du an einer Essstörung leidest und schäme Dich nicht dafür.

  3. Entwickle ein Bewusstsein dafür, was Du Deinem Körper eigentlich antust.
  4. Habe den tiefen Wunsch hier etwas zu verändern.

  5. Eigne dir Wissen an. Wissen über die Krankheit und Wissen über gesunde Ernährung.

  6. Fange heute damit an, etwas zu verändern, z.B. mit der Hilfe eines Selbsthilfe-Buches. Wenn Dir das zu wenig bringt, dann hole Dir professionelle Hilfe, z.B. über eine Organisation, die auf Essstörungen spezialisiert ist. 

  7. Sei geduldig mit Dir. Rückschläge werden kommen, nehme sie nicht zu schwer. Akzeptiere sie und arbeite einfach immer weiter an Dir.

  8. Arbeite immer an Deiner Selbstliebe. Je mehr Du Dich liebst, desto weniger wirst Du Dir selbst schaden wollen. Selbstliebe ist überhaupt der Schlüssel zu allem.

  9. Versuche Freude in Dein Leben zu bringen. Tu Dinge, die Dir gut tun. 
  10. Suche Dir etwas im Leben, dass Dir Sinn gibt. Eine Aufgabe, die Dich wirklich erfüllt. Überlege einmal was Du als Kind gerne gemacht hast. Gab es da etwas, dass Dich so richtig begeistert hat? 

Sei Dir bewusst: Wenn Du nichts isst, dann wirst Du sterben. Möchtest Du das wirklich? Lass es nicht zu, dass es so weit kommt. Gib Dich bitte nicht auf. Es kann sich alles verändern. Du bist keine Gefangenen Deines Schicksals. Du hast Dein Leben selbst in der Hand.

 

Nun wünsche ich Dir einen wunderschönen Tag, Abend oder eine gute Nacht, je nachdem in welcher Zeit Du auch immer Dich gerade befindest! 

Die Liebe in mir, grüßt die Liebe in Dir!

Deine Andrea

Buchtipp

Selbsthilfe bei Bulimie ist möglich. Hier erhalten Betroffene eine bewährte Therapie, eine konkrete Anleitung zur Selbsthilfe in Form eines Arbeits- und Übungsbuches, geschrieben von ausgewiesenen Expertinnen, die die Betroffenen Schritt für Schritt auf dem Weg zur Besserung begleiten. Die Autorinnen wenden sich an Frauen und Männer, die aus dem Teufelskreis des Ess- und Brechzwangs herausfinden wollen, an Angehörige und Freunde, aber auch an Therapeuten, die dieses Buch begleitend zu ihrer Behandlung einsetzen können.  


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Kommentare: 1
  • #1

    Silviu (Mittwoch, 08 November 2017 12:51)

    Toller Beitrag wiedermal, ich finde es sehr bewundernswert, dass du so offen mit dem Thema umgehst. Nicht viele haben den mit dazu.

    Lg Silviu