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Die Opfersicht

Mit welchen Augen siehst Du die Welt? In diesem Artikel erzähle ich Dir, wie ich die Welt vor ein paar Jahren gesehen habe und was das mit mir gemacht hat.

Opferrolle | Opfersicht | Opfer des Lebens

Durch welche Brille nimmst Du die Welt wahr?

Die Menschen werden nicht durch die Dinge selbst beunruhigt,

sondern durch die Meinungen, welche sie von den Dingen haben.“

 Epiktet

In wissenschaftlichen Untersuchungen der Lebensumstände depressiver Patienten wurden drei interessante Einstellungen ersichtlich, die nahezu alle Patienten teilten: 

  1. Eine negative Sicht der eigenen Person.

  2. Eine negative Sicht der Umwelt.

  3. Eine negative Sicht der Zukunft.

„Ich bin hässlich. Ich kann das nicht. Die Menschen sind egoistisch. Die Welt ist ein grausamer Ort. Alles ist hoffnungslos. Mir kann sowieso niemand helfen. Leben ist Leid.“ Kommen Dir diese Sätze bekannt vor? Genau solche Gedanken haben mich viele Jahre meines Lebens begleitet. Meine Welt war düster und grau.

 

Durch die ständige Wiederholung dieser negativen Gedanken, verlor ich immer mehr an Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Selbstsicherheit. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft war komplett verloren gegangen und ich begann zu glauben, dass nur noch der Tod die Erlösung aus diesem Zustand bringen könne.

 

Mein Selbstbild war komplett verzerrt. Ich betrachtete mich als wertlos, ungeliebt, unzulänglich und als Opfer der äußeren Umstände. Auch andere Menschen habe ich nur noch durch eine schwarze Brille der Negativität gesehen. So wurden sie zu egoistischen, selbstverliebten und herzlosen Ungeheuern. Meine ganze Welt wurde zu einem Ort des Schreckens. Überall sah ich Hass und jeder war der Feind des anderen. Ich dachte, in so einer Welt, mit solchen Menschen und weil ich selbst auch nicht besser war, könnte ich niemals glücklich werden.

 

All die schönen und positiven Dinge, die das Leben ausmachen, wurden durch meine dunkle innere Einstellung und Sichtweise total ausgeblendet. 

 

Dass ich die Welt so schrecklich wahrgenommen habe, weil es IN MIR so dunkel und negativ war, wusste ich damals noch nicht.

 

Das große Problem war, dass meine Sicht auf die Dinge, die eigentlich der Auslöser für all die Traurigkeit war, mir immer wieder neue Beweise und Bestätigungen brachte, dass das Leben nur aus Schmerz und Leid besteht. Ein Teufelskreis. Ich war vollkommen davon überzeugt, dass die Welt schlecht ist. 

Du siehst die Welt nicht so, wie sie ist. Du siehst die Welt so, wie Du bist.

"Das Auge sieht nur, was der Geist bereit ist, zu begreifen."

Henri-Louis Bergson

In der Psychologie spricht man hier von selektiver Wahrnehmung. Du kennst bestimmt das Beispiel mit dem Auto. Wenn Du Dir ein neues Auto kaufen möchtest und ein bestimmtes Modell oder eine bestimmte Farbe im Kopf hast, dann siehst Du plötzlich überall genau dieses Auto. Der selbe Effekt geschieht auch, wenn wir die Welt aus einer Opferperspektive wahrnehmen. Mein Fokus war komplett auf Negativität gerichtet und ich nahm überall Negativität wahr. Ich bin in meinen eigenen negativen Gedanken über die Welt, die anderen Menschen und mich selbst versumpft.

 

Wenn es Dir auch so ergeht, dann kann ich Dir nur sagen, dass es an Deiner eigenen Einstellung liegt, wie Du die Dinge siehst. Ich weiß, dass ist schwer zu glauben. Wenn mir damals jemand etwas von meinen negativen Gedanken erzählt hat, dann habe ich das nur wieder zum Anlass genommen, ihn als herzlos und egoistisch abzustempeln. „Wenn ich Dein Leben hätte, dann würde es mir auch gut gehen!“ war mein Hauptargument, um meinen Zustand zu rechtfertigen. Ich war alleine, nicht beziehungsfähig, die Menschen verstanden mich nicht und ich übte einen Beruf aus, der mir überhaupt keinen Spaß machte. Ich musste Geld verdienen, ich konnte nicht einfach kündigen. Bla, bla, bla. Ich steckte wie in einem Moorloch in dieser Opferrolle fest. Hinzu kam ein kindlicher Trotz, der die Sache auch nicht besser machte. „Ihr könnt mich alle mal... Ich brauche niemanden...“ Tja, was soll ich sagen. So lange ich diese Einstellung hatte, so lange verharrte ich in dem immer gleichen Zustand.

 

Solange wir die Schuld unserer Stimmung auf das System, andere Menschen, unsere Eltern, unsere Gene oder was auch immer schieben, wird sich nichts verändern.

Möchtest Du Opfer, oder Schöpfer Deines Lebens sein?

Die Depression ist der Preis, den wir zahlen, um unsere Opferrolle zu rechtfertigen.

Und dieser Preis ist verdammt hoch.

 

Ein Opfer zu sein heißt, dass ich keine Macht über meine eigene Lage habe. Ich kann nichts dafür und muss mich meinem Schicksal beugen. Ich habe es selbst nicht in der Hand, was aus mir wird. Solange Du glaubst, ein Opfer zu sein, wirst Du auch nicht in ein Verhalten kommen, dass für Deinen Heilungsprozess von Vorteil wäre.

 

Die Wahrheit ist, Du bist kein Opfer. Deine eigenen Entscheidungen haben Dich genau dahin gebracht, wo Du Dich gerade befindest. Natürlich können wir nichts dafür, wenn uns als Kind etwas Schlimmes angetan wurde. Natürlich ist dann unser Fundament nicht wirklich stabil und unsere Voraussetzungen für ein glückliches und erfülltes Leben, sind vielleicht erst einmal schlechter, als bei einem Menschen, der liebevoll und fürsorglich aufgewachsen ist. Doch in dieser Ausgangsposition zu verharren hilft niemanden und tut nur Dir selbst weh. Wenn Du an dieser Situation festhältst, bestrafst Du Dich im Endeffekt die ganze Zeit selbst. Denn damit verbaust Du Dir jeden Weg für Veränderung. 

 

Versuche jeden Tag, in kleinen Schritten, eine neue Sicht auf die Welt, die anderen Menschen und Dich selbst zu gewinnen. Vielleicht hilft es Dir, einmal einen Monat lang keine Nachrichten zu sehen. Es ist schwierig, das Weltbild zu verändern, wenn uns die Meldungen täglich zeigen, was für schreckliche Dinge auf der Welt passieren. Gute Nachtrichten strahlen die Medien ja leider nicht aus. Aber es gibt sie genauso. In Deinem Prozess der Heilung geht es um Deine eigene Welt. Das bedeutet nicht, dass Du die Augen verschließt und kein Interesse am Weltgeschehen hast. Aber wie kannst Du mehr bewirken? Wenn Deine Welt weiterhin ein Ort des Schreckens ist, oder wenn Du in Dir eine Welt des Friedens entstehen lässt? Ich sehe nur ganz selten die Nachrichten und helfe heute wesentlich mehr Menschen, als ich es getan habe, als ich bezüglich der Berichterstattung immer aktuell war. 

 

Suche ganz gezielt nach den schönen Dingen Deiner Umgebung. Das fängt schon in Deiner eigenen Wohnung an. Hast Du es Dir gemütlich gemacht? Um sich ein Wohlfühlzuhause zu erschaffen, muss man nicht reich sein. Gönne Dir Blumen. Arbeite mit Farben. Beginne langsam damit, Deine Welt in eine liebevolle Welt zu verwandeln. Sage einfach einmal beim Spaziergang den anderen Spaziergängern, was für ein wundervoller Tag heute ist. Hilf der alten Dame beim Tragen ihrer Einkäufe oder mache Deiner Arbeitskollegin oder Deinem Kollegen ein nettes Kompliment. Spring über Deinen Schatten und gestalte Dir selbst Dein Leben in ein Leben voller Liebe. Du wirst erstaunt sein, wie sich langsam alles verändern wird, wenn Du selbst die Initiative ergreifst und die volle Verantwortung für Dein Leben und Deinen Zustand übernimmst. Und lasse Dich nicht davon entmutigen, wenn der Autofahrer hinter Dir drängelt oder wenn einmal ein Mensch nicht zurück grüßt, obwohl Du freundlich Hallo gesagt hast. Nimm diese Dinge nicht persönlich. Wir wissen nie, was der andere gerade durchmacht. Nimm genau diese Situationen zum Anlass und sage Dir: „Und jetzt erst recht!“

 

Liebe und Frieden beginnen bei Dir selbst.

 

Nun wünsche ich Dir noch einen wunderschönen Tag, Abend oder eine gute Nacht, je nachdem in welcher Zeit Du auch immer Dich gerade befindest.

Die Liebe in mir, grüßt die Liebe in Dir!

Deine Andrea

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Kommentare: 1
  • #1

    Ilona (Samstag, 08 September 2018 11:55)

    Die Opferrolle war für mich mein lebenslanger Schutz vor weiteren Verletzungen. Seit ich erkannt habe, dass mein Focus ein Leben lang nur im Mangel war und was alles passiert wenn man den Focus auf das richtet was schon alles da ist und wofür man dankbar sein kann, geht es mir immer besser. Danke für diesen tollen Artikel!!