
Ein Leben zwischen Funktionieren und Zusammenbruch
Wenn ich auf meinen Weg zurückblicke, sehe ich zwei Welten: die äußere Welt, in der ich viele Jahre funktioniert habe, und meine innere Welt, die immer wieder in Krisen zusammengebrochen ist.
Die Arbeit war lange mein sicherer Anker. Mit 16 Jahren habe ich die Ausbildung zur Bankkauffrau begonnen – und bin diesen Weg insgesamt 21 Jahre lang gegangen. Während meine private Welt schon früh von Krisen erschüttert war und ich mit Essstörung, Beziehungsproblemen und seelischen Schmerzen kämpfte, war die Arbeit das Einzige, das stabil blieb. Dort kannte ich mich aus. Dort fühlte ich mich sicher. Ich habe gerne gearbeitet, viel gearbeitet. Die Arbeit war mein Halt, mein Boden, mein Anker inmitten all des inneren Chaos.
Vielleicht kennst Du das Gefühl auch: dass ein Bereich Deines Lebens Dich trägt, während innerlich alles wankt. Und wie sehr es erschüttert, wenn auch dieser Halt nicht mehr trägt.
Schon mit Mitte 20 habe ich versucht, mir Hilfe zu holen. Ich machte zunächst drei Monate eine Verhaltenstherapie, später noch neun Monate Psychoanalyse. Doch diese Therapie hat mich nicht stabilisiert – im Gegenteil, während der Sitzungen ging es mir sogar noch schlechter, sodass ich sie schließlich abgebrochen habe.
In dieser Zeit war ich auch bei einem Psychiater. Von ihm hörte ich zum ersten Mal den Satz, ich sei „nicht sozialkompetent“. Das hat mich tief verletzt. Bei ihm habe ich zwei verschiedene Medikamente ausprobiert – das eine verursachte starke innere Unruhe, das andere lähmende Erschöpfung. Vielleicht kennst Du das auch: dass die Hilfen, die eigentlich tragen sollen, Dich noch weiter schwächen.

Immer wieder neue Versuche – und immer wieder das gleiche Ende
Ab 2010 wurde es immer schwerer, meine Fassade nach außen aufrechtzuerhalten. 2013 kam der völlige Zusammenbruch: erst eine psychiatrische Klinik, dann ein halbes Jahr in einer psychosomatischen Klinik. Diese Zeit hat mir das Leben gerettet – und doch war danach nichts mehr wie vorher.
Als ich zurückkehrte, versuchte ich, wieder Fuß zu fassen – zuerst als Assistentin im Private Banking, dann im Servicebereich. Aber weder die gehobene Stelle noch die einfachere Aufgabe hielten mich. Panikattacken, Überforderung, Angstzustände – ich war am Ende meiner Kräfte.
Im September 2015 sind wir nach Mühldorf gezogen. Dieser Umzug kam für mich wie gerufen – denn ohne ihn wäre ich wohl wieder in einer Klinik gelandet. Er hat mich zumindest aus der Situation in der Bank herausgelöst.
Doch auch danach habe ich nicht aufgehört, es immer wieder zu versuchen. Bewerbungen bei Banken, neue Stellen – und doch dasselbe Ende: Nach wenigen Wochen musste ich abbrechen. Meine Seele reagierte sofort.
Vielleicht hast auch Du erlebt, wie es ist, wenn jeder Versuch, wieder aufzustehen, Dich noch tiefer erschöpft.
Ich probierte vieles:
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Eine Ausbildung zur Fachfußpflegerin – sofort gemerkt, dass es nicht meins war.
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Noch einmal Medikamente – diesmal mit einem allergischen Schock.
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Dreimal habe ich versucht, in Banken wieder Fuß zu fassen. Ich habe neue Stellen angetreten, voller Hoffnung – und doch musste ich nach wenigen Wochen jedes Mal wieder abbrechen. Meine Seele hat sofort reagiert: Panik, alte Muster, totale Überforderung. Vor allem aber war da dieses Gefühl, hier nicht richtig zu sein, nicht reinzupassen, fehl am Platz zu sein. Diese Versuche haben mir noch einmal deutlich gezeigt, dass ich in dieser Arbeitswelt nicht bestehen kann.
Ende 2016, Anfang 2017 war ich erneut bei einem Psychiater. Er meinte, ich sei „austherapiert“. Wir starteten einen Medikamentenversuch, der in einem Schock endete. Ein weiteres Medikament habe ich dann nicht mehr gewagt. Das war mein letzter Besuch in einer psychiatrischen Praxis.
Zwischen Hoffnung und Überforderung
Von da an habe ich beschlossen, es selbst zu versuchen. 2017 begann ich, meinen eigenen Heilungsweg zu gehen – ohne Klinik, ohne Medikamente. Ich probierte, was mir gut tat: Yoga, Meditation, Atemübungen, Achtsamkeit. Und ich begann zu schreiben. Zuerst nur für mich, dann in meinem Blog.
Vielleicht kennst Du dieses Gefühl auch: dass kreatives Arbeiten Dich trägt, Dir Sinn gibt, Dich wieder bei Dir ankommen lässt. Für mich war es genau das. Schreiben und Teilen wurden zu meiner eigenen Therapie.
Mit der Zeit wuchs in mir der Wunsch, mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben. So begann ich eine Coaching-Ausbildung und bot anschließend erste Coachings an – zuerst per E-Mail, dann telefonisch, später über Zoom. Und auch wenn ich es liebte, mit Menschen in die Tiefe zu gehen, zeigte sich hier meine größte Grenze: Ich konnte mich nicht abgrenzen. Die Geschichten meiner Klienten blieben in mir, als wären sie meine eigenen. Vielleicht kennst Du dieses Gefühl, dass Du die Energien anderer so stark aufnimmst, dass Du Dich selbst darin verlierst. Für mich war es unglaublich anstrengend und nach einem intensiven Coaching brauchte ich oft mehrere Tage, um mich wieder zu erholen.
Seit 2017 arbeite ich auch freiberuflich im Projekt der Potenzialanalyse bei der Handwerkskammer – zweimal im Jahr, jeweils für einige Wochen. Eine Arbeit, die ich liebe und die mich erfüllt. Aber schon nach wenigen Stunden mit den Menschen bin ich völlig erschöpft. Migräne, Erschöpfungszustände – und danach geht gar nichts mehr.
Mein Wunsch war es lange, mehr mit meinem Mann zusammenzuarbeiten. Doch auch hier bin ich schnell an meine Grenzen gestoßen. Ich konnte nicht erfüllen, was zum normalen Arbeitsalltag dazugehört. Diese Erfahrung hat mir deutlich gezeigt, dass selbst dort, wo ich mich sicher und getragen fühle, die Anforderungen zu groß sein können.
In der Hoffnung, trotzdem noch einmal eine neue Grundlage zu schaffen, begann ich 2024 eine umfangreiche Business-Coach-Ausbildung. Ich schloss sie erfolgreich ab – und doch spürte ich schon währenddessen, wie sehr ich an Grenzen stieß: Abendveranstaltungen waren unmöglich, in Pausen musste ich mich regelmäßig zurückziehen. Als es dann konkreter wurde, mit meinem Mann bei Trainings zusammenzuarbeiten, waren die Ängste zu groß. Auch dieser Weg war für mich nicht tragfähig.

Wenn die Welt zu laut und zu schnell ist – und wie Du Deinen eigenen Weg findest
Vielleicht kennst Du das auch: Die Welt um uns herum ist oft zu viel. Zu laut. Zu schnell. Zu voll. Ob im Straßenverkehr, im Supermarkt oder im Büro – überall prasseln Eindrücke, Geräusche und Erwartungen auf uns ein. Für viele Menschen mag das normal sein, doch wenn Du feinfühlig bist, kann es Dich zutiefst erschöpfen.
Heute kann ich meine Muster klarer benennen – und vielleicht erkennst Du Dich in einigen davon wieder:
Hochsensibilität und Abgrenzung
Wenn ich mit Menschen zusammenarbeite, spüre ich ihre Emotionen, Stimmungen und Energien so stark, dass sie in mir nachhallen. Ich trage sie tagelang mit mir, als wären es meine eigenen. Diese Durchlässigkeit ist einerseits ein Geschenk, weil sie Verbindung und Mitgefühl möglich macht. Doch ohne klare Grenzen wird sie zur Last.
Verlust der Erdung
Morgens finde ich durch Yoga, Meditation und Achtsamkeit eine gewisse Stabilität. Doch schon auf dem Weg in die Stadt oder zur Arbeit reißen mich Geräusche, Bewegungen und Sinneseindrücke aus meiner Mitte. In lauten, hektischen Umgebungen verliere ich den Boden unter den Füßen.
Reizüberflutung durch Geräusche
Vielleicht kennst Du es auch: bestimmte Geräusche setzen den Körper sofort unter Stress. Mein Nervensystem reagiert mit Alarm, als müsse ich mich verteidigen. Diese ständige innere Anspannung laugt auf Dauer aus.
Eigene Energie nicht halten können
Stabilität nur im Rückzug
Vielleicht sieht es von außen so aus, als hätte ich mir durch Routinen und meine kreative Arbeit ein stabiles Leben geschaffen. Und ja – Yoga, Meditation, Atemübungen, Achtsamkeit und mein Blog geben mir Halt. Auch meine Beziehung trägt mich und schenkt mir Sicherheit. Wenn ich so leben kann, wie es mir entspricht, dann geht es mir gut.
Doch dieses Leben steht im Widerspruch zu dem, was die Gesellschaft als „normal“ ansieht. In der Realität, wie sie von außen verlangt wird – mit Tempo, Druck und ständiger Leistung – finde ich keinen Platz. Ich kann gut, gerne und mit Hingabe arbeiten, doch nicht in den Strukturen, die mich krank machen. Meine Strategien tragen in meinem geschützten Umfeld, aber sobald ich versuche, in diese Formen von Arbeit hineinzupassen, verliere ich den Halt, den ich mir in meinem Leben aufgebaut habe. Noch habe ich keinen Weg gefunden, eine Tätigkeit zu finden oder mir aufzubauen, die wirklich zu mir passt und mich auch finanziell trägt.
Das große Dilemma
Hier liegt mein größtes Problem:
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Ich muss Geld verdienen, um leben zu können.
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Doch in der Arbeitswelt, wie sie organisiert ist, werde ich krank.
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Meine kreative Arbeit trägt mich seelisch – aber sie trägt mich finanziell (noch) nicht.
Dieses Spannungsfeld begleitet mich seit vielen Jahren. Ich habe nie aufgehört zu suchen, habe Ausbildungen gemacht, Neues ausprobiert, mich selbst weitergebildet. Ich habe auch eigene Produkte geschaffen – ein Online-Kurs, Coaching-Tools, ein Buch. Alles Dinge, die aus meinem Herzen entstanden sind und mit viel Liebe und Hingabe gestaltet wurden. Doch wirtschaftlich hat sich das bisher nicht getragen.
Das bedeutet nicht, dass ich „nichts leiste“. Im Gegenteil: Ich arbeite viel, ich arbeite tief, ich arbeite gerne. Doch bisher ist es mir nicht gelungen, meine Arbeit so in die Welt zu bringen, dass sie auch finanziell trägt. Meine Projekte entstehen aus innerer Hingabe und geben mir Sinn – aber zwischen dem, was mich seelisch erfüllt, und dem, was wirtschaftlich notwendig wäre, klafft noch eine Lücke.

Reflexionsfragen für Dich
Vielleicht möchtest Du diesen Moment nutzen, um auch einmal auf Dein eigenes Leben zu schauen. Diese Fragen können Dir dabei helfen, Dich selbst liebevoll zu spüren und Deinen eigenen Weg klarer zu erkennen:
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In welchen Momenten spüre ich, dass mein Tempo oder mein Rhythmus nicht mit dem der Außenwelt übereinstimmt?
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Was gibt mir in meinem Alltag Halt und Sicherheit – und wie kann ich mir mehr davon schenken?
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Wann taucht in mir Scham auf, und wie gehe ich mit diesem Gefühl um?
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Wo wünsche ich mir mehr Mitgefühl mit mir selbst, statt mich unter Druck zu setzen?
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Welche kleinen Schritte könnten mir helfen, im Vertrauen zu bleiben, auch wenn mein Weg unklar erscheint?
Hoffnung trotz allem
Ich glaube, das es keine Schwäche ist, wenn uns die Arbeitswelt krank macht. Es ist keine Schwäche, wenn wir nicht mithalten können in einer Welt, die zu laut, zu schnell, zu grell, zu voll ist.
Vielleicht erkennst Du Dich in meinen Worten wieder. Dann möchte ich Dir Mut machen: Du bist nicht allein. Deine Wahrheit zählt. Dein Rhythmus zählt. Dein Leben darf in Deinem Takt entstehen.
Ich weiß nicht, wohin mein Weg führt. Aber ich gehe ihn ehrlich – und vertraue darauf, dass sich die Türen zeigen werden, die für mich bestimmt sind. Und allein dieses Vertrauen schenkt mir Frieden.
Nun wünsche Dir noch einen wunderschönen Tag, Abend oder eine gute Nacht, je nachdem in welcher Zeit Du auch immer Dich gerade befindest.
Die Liebe in mir, grüßt die Liebe in Dir.
Deine Andrea 💛
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