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Schon wieder der Leidensdruck

In diesem Artikel erfährst Du einiges über meine Leidensgeschichte und ich zeige Dir, wie Du einen guten Überblick über Deine eigene Geschichte bekommst.

Der Leidensdruck | Verzweiflung und Hilflosigkeit

Wenn die Angst einen Depressionsrückfall zu bekommen, das Leben dominiert

In meinem 6. Artikel habe ich Dir meinen 10-Punkteplan gegen Depressionen vorgestellt. Doch was tut man, wenn auch das nichts mehr hilft?? Anfang Oktober 2017 wurde ich, obwohl ich mich jeden Tag strickt an den Plan gehalten habe, trotzdem von der schwarzen Welle überschwemmt. Ich war zwar täglich damit beschäftigt, dagegen anzukämpfen, doch meine Gegenmaßnahmen haben nichts mehr bedeutet. Es zog mich trotzdem immer tiefer. Mein Zustand war in etwa so zu beschreiben, dass ich mich immer an der Grenze zwischen, es geht gerade noch so, und die Angst wieder Depressionen zu bekommen, bewegte. Dazu war ich übertrieben nervös und Kleinigkeiten überforderten mich. Hinzu kam eine permanente körperliche Schwäche, die einer Erschöpfung gleichkommt. Ich fühlte mich total ausgebrannt und obwohl ich jede Nacht ungefähr neun Stunden Schlaf habe, wachte ich in der Früh vollkommen gerädert auf. Meine depressive Verstimmung wurde wieder schlimmer und meine Verzweiflung nahm wieder zu.

 

Am Ende war ich so niedergeschlagen, dass ich mich an meinen Hausarzt wandte. Irgendwie hoffte ich, dass der Grund für meine depressive Verstimmung und dieser schrecklichen Müdigkeit war, dass sich etwas an der Dosierung meiner L-Thyroxin (Schilddrüsen-Tabletten, die ich wegen meiner Hashimoto-Erkrankung einnehme) geändert hatte. Dass ich vielleicht eine höhere Dosis benötige, als ich momentan einnahm. Mein Hausarzt gab mir einen Überweisungsschein für einen Besuch beim Endokrinologen. Hier wurde meine Schilddrüse mit dem Ultraschal überprüft und meine Blutwerte kontrolliert. Alles Bestens! Die Schilddrüse ist sogar wieder auf eine normale Größe gewachsen und die Werte meines Blutes liegen alle im optimalen Bereich. Obwohl ich mich über diese gute Nachricht eigentlich freuen müsste, tat ich es nicht. Körperlich war alles super. Das heißt, meine Symptome mussten psychosomatischer Natur sein. Mein Hausarzt gab mir einen Überweisungsschein zum Psychiater. „Was will mir der noch erzählen und was soll ich dem noch erzählen?“ waren meine ersten Gedanken. Ich setzte mich an den Computer und schrieb mir eine Liste mit sämtlichen Diagnosen und Therapien, die ich im Laufe der Jahre bekommen hatte.

  

Meine Leidensgeschichte begann vor ungefähr 20 Jahren. Das Ganze fing mit enormen Beziehungsschwierigkeiten an, die sich durch extreme Eifersucht, Verlustangst und durch Gewalt in der Beziehung zeigten. Hinzu kamen starke Stimmungsschwankungen und Wutanfälle. Ab ungefähr 2003 begannen meine Probleme mit dem Essen. Ich habe immer weniger gegessen. In diesem Jahr versuchte ich es das erste mal mit einer Therapie. Zuerst mit einer Verhaltenstherapie, die ich nach 3 Monaten abbrach, anschließend mit einer Psychoanalyse, die ich nach ungefähr 9 Monaten ebenfalls frustriert abbrach. Ab 2006 wurde es mit meinen Essproblemen immer schlimmer. Inzwischen litt ich an Magersucht und verletzte mich in dieser Zeit auch selbst. Ab 2007 unternahm ich viele Versuche um mich selbst zu heilen. Ich las haufenweise Selbsthilfe-Bücher, ging zu einem Geistheiler und zu einem Hypnotiseur. Außerdem versuchte ich es mit Bachblüten, Homöopathie und Astrologie. Alles ohne große Wirkung. Im Jahr 2009 ging ich dann zu einem Psychiater und nahm über ein paar Monate verschiedene Antidepressiva ein. Da ich an den Nebenwirkungen mehr litt, als dass ich eine Verbesserung meines Zustandes bemerkt hätte, brach ich auch das eigenständig wieder ab. Ab diesem Zeitpunkt ging es ungefähr los, dass ich immer weniger Sinn am Leben sah. Ich war interessen- und orientierungslos. Meine Verzweiflung nahm immer weiter zu, es kam immer häufiger zu Selbstmordgedanken. Hinzu kamen eine extreme innere Unruhe, ein innerer Druck und körperliche Anspannungen. Ich fühlte mich eigentlich ständig nervös, kam innerlich nicht zur Ruhe und hatte Konzentrationsschwierigkeiten. Im Jahr 2010 bekam ich dann von meiner damaligen Hausärztin die Diagnose, dass ich an Hashimoto erkrankt war. Ungefähr ein Jahr später kam zur Bulimie ein weiteres Probleme hinzu, das sich als Ekel zu meinem eigenen Körper ausdrückte. Ich weiß nicht, ob es am Nährstoffmangel lag, auf jeden Fall fing auch in dieser Zeit an, dass mir die Welt und alles was hier ist, so unecht vorkam. Ich sah die Welt durch eine Art Filter und fühlte mich nicht als Teil davon. Das nennt man Derealisationsgefühl. In dieser Zeit hatte ich tatsächlich Angst verrückt zu werden, weil ich in Alltagssituationen völlig neben mir stand. Ich fühlte mich, als wäre ich nur halb hier und die andere Hälfte wäre irgendwo anders. Alles war so falsch auf diesem Planeten. Im November 2012 bekam ich schließlich folgende Diagnosen: Dysthymia, Akzentuierung von Persönlichkeitszügen vom emotional instabilen Typ und Atypische Bulimie nervosa. Im Dezember 2012 ging ich dann mit der zusätzlichen Diagnose einer schweren depressiven Episode, zuerst in eine Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und anschließend in eine Psychosomatische Klinik. Darüber habe ich in meinem 5. Artikel ausführlich erzählt. Nachdem ich im Mai 2013 aus der Klinik entlassen wurde, folgte eine Ambulante Psychotherapie bis zum Juni 2015. Ich beendete die Therapie, weil mein Mann und ich in dieser Zeit umgezogen sind und weil es auch endlich an der Zeit war, wieder ohne Therapie klar zu kommen. Die beiden folgenden Jahre wusste ich mir gut zu helfen. Es war zwar oft an der Grenze, doch ich konnte mein Gelerntes gut umsetzen und bin um Welten weiter, als ich es früher war. Vor allem Beziehungstechnisch und was das Essen betrifft. Besser könnte es nicht laufen. Doch diese permanente Müdigkeit und Schwäche machte mir sehr zu schaffen. Wäre ich munter, wäre ich vielleicht auch nicht depressiv??

  

Mit meiner Liste ging ich schließlich zum Termin. Nachdem der Psychiater und ich uns ausführlich über mich unterhalten haben, sagte er zu mir, dass er in meinem „Lebenslauf“ eine Sache vermissen würde. Und zwar, dass ich noch kein einziges mal richtig mit Antidepressiva behandelt worden wäre. Eine richtige Behandlung bedeutet, das richtige Medikament in der richtigen Dosierung erst einmal über ca. ein Jahr lang gewissenhaft einnehmen und dann zu entscheiden, ob es wieder ausgeschlichen wird, oder ob es weiterhin bis zu 5 Jahren eingenommen wird. Ich erzählte ihm, dass ich nach meinem missglückten Versuch 2009 Medikamente ablehnen würde. Ich hatte zu viel Angst vor den Nebenwirkungen. Wir einigten uns, dass ich mir zwei Tage lang Gedanken darüber machen sollte, was ich mir von ihm erwarten würde und wie wir weiter vorgehen sollen. Bei unserem nächsten Termin teilte ich ihm meine Entscheidung mit, es doch mit Medikamenten zu versuchen, denn ich kann nicht immer dagegen sprechen, wenn ich es noch nie richtig ausprobiert hatte. Außerdem war mein Leidensdruck einfach zu groß, diesen Versuch nicht zu unternehmen. Der Psychiater stellte mir viele Fragen und klärte mich bezüglich verschiedener Antidepressiva umfangreich auf. Wir entschieden uns schließlich für ein antriebsteigerndes Medikament namens Elontril. Heute ist der 12. Tag der Einnahme und bis jetzt muss ich sagen, dass ich zufrieden bin. Die Zeit ist natürlich noch viel zu kurz um ein Urteil zu fällen, doch Nebenwirkungen zeigen sich normalerweise schon in den ersten Tagen. Außer, dass ich ein paar Nächte schlecht geschlafen habe und manchmal ein bisschen Bauchweh hatte, ist nichts passiert. Stimmungsmäßig ist es auch noch zu Früh um hier etwas sagen zu können. Die zwölf Tage waren gute Tage. Ob das an dem Medikament lag, oder ob ich durch meine Einstellung gute Tage hatte, weiß ich nicht. Ich werde Dir auf jeden Fall berichten, was in den nächsten Monaten passiert.

Die Zeitskala gibt Dir einen Überblick über Dein Leben und Deinen Zustand

Der Grund, weshalb ich die Liste meiner 20 jährigen Krankheitsgeschichte so schnell erstellen konnte, war, dass wir in der Klinik mit Zeitsträngen gearbeitet haben. Das ist eine tolle Methode, um einen Überblick von Dir selbst zu bekommen. Nimm hierzu einfach ein Blatt Papier, am Besten quer, und ziehe vier Linien (mit jeweils genügend Abstand) von einer Seite zur anderen. Links, am Anfang der Linie ist der Tag, an dem Du geboren wurdest, rechts am Ende der Linie, ist der heutige Tag. Nun kannst Du verschiedene Themen bearbeiten. Z.B. das Thema 'Familie'. Wann wurden Geschwister geboren? (Wenn Du ältere Geschwister hast, beginnt der erste Tag natürlich früher). Was ist passiert in der Familie? Vielleicht eine Scheidung, ein Todesfall, vielleicht kam ein Haustier dazu, dass auch wieder gestorben ist. Vielleicht gab es einen Bruch mit einem Elternteil etc. etc. Alle einschneidenden Situationen, die die Familie betreffen, werden in die Zeitskala eingetragen, indem Du eine Markierung (z.B. ein senkrechter, kleiner Strich) an der Stelle des Zeitpunktes einzeichnest. Darunter gibst Du das Datum an (Monat und Jahresangabe genügt) und darüber notierst Du was passiert ist. Dann gehst Du zur nächsten Linie. Hier trägst Du alle Ereignisse ein, die Deine 'Freunde und Beziehungspartner' betreffen. Wann hast Du neue Freunde bzw. Partner kennengelernt, wann gingen Freundschaften auseinander bzw. kam es zur Trennung? Gab es einschneidende Erlebnisse mit Freunden oder Partnern? In dieser Linie kannst Du auch Situationen, wie z.B. Gewalt, Belästigungen und Missbrauch eintragen. In der nächsten Zeitlinie trägst Du Deine Schul- und deine Berufsgeschichte ein. Gab es Wechsel, Kündigungen? In der letzten Linie trägst Du schließlich Deine Leiden ein. Wann hattest Du depressive Phasen, wann begannen Deine Essproblemen, oder wann hattest Du andere schwerwiegende Probleme? Hier gehört alles hin, was auch immer Deine Leiden sind. Wenn Du damit fertig bist, kannst Du alle Zeitlinien miteinander vergleichen. Du wirst Zusammenhänge erkennen, die Dir helfen, besser zu verstehen, was die Ursachen für Deine Schwierigkeiten sind.

 

Nun wünsche ich Dir noch einen wunderschönen Tag, Abend oder eine gute Nacht, je nachdem in welcher Zeit Du auch immer Dich gerade befindest.

Die Liebe in mir, grüßt die Liebe in Dir!

Deine Andrea

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